Edle Brände

von Wilhelm Gierer

Im Gedicht „Edle Brände“ versucht Wilhelm Gierer, das faszinierende, intensive Sinneserlebnis bei der Verkostung eines Edelbrandes in Worte zu fassen:


Gehe in dich und schweige
Schärfe all deine Sinne!
Noch schlafen, wie in der Geige
Die Töne, die Aromen vor dem Beginne
Dann nimm das Glas zur Hand
Rieche tief den fruchtigen Duft
Vor deinem Auge wächst Baum und Land
Und es schmeichelt des Sommers flirrende Luft
Dann heb es und proste
Dem freundlichen Nachbarn zu
Und trinke und koste
Und schmecke in gestilltester Ruh
Dann steigen Aromen zu dir herauf
Reich mit den reifesten Früchten beladen
Und du wähnst dich an Waldestrauf
Und an des Sees Gestaden
Der Herbst schaut herein
Mit all seiner goldenen Fülle
Geboren aus Regen und Sonnenschein
Dass sich der Trank ganz dir enthülle
Dann riech in des Glases Neige
Wie des Pianisten letzter, verklingender Klang
Rieche, höre und schweige
Und spüre den verrauschenden Überschwang